Überlebenstraining in Ägypten
Eigentlich wollte ich ja gar nicht weg. Zuhause hat der
Mensch doch alles, was er braucht. Eine warme Heizung, viele gute Restaurants, nette
Freunde, ein eigenes Auto, schnelles WLAN, einen großen Flatscreen und immer
die passende Kleidung.
Eigentlich die besten Voraussetzungen, Weihnachten 2014 in
den eigenen vier Wänden zu verbringen. Allein. Mit dem Flatscreen. Nach drei
Tagen war ich dann soweit, nach Last-Minute-Angeboten zu suchen. Bei Thomas
Cook wurde ich fündig: Eine Woche Hurghada in einer Vier Sterne-Anlage, all
inklusive, für nur 654.- Euro. Vom 1. bis 8. Januar 2015. Eine Öger-Reise von Condor
oder so ähnlich. Irgendwie sind die ja inzwischen alle miteinander verbrüdert,
die Neckermänner und Bucher-Reisen eingeschlossen. Laut Wetterbericht sind es
im Januar in Hurghada 25 Grad am Tag und 14 Grad in der Nacht. Wie sich zeigen
sollte, muss man diese Werte halbieren.
Aber der Reihe nach. Als Bezahlart wählte ich
„SEPA-Überweisung“, weil das ja in Europa ab sofort das Zahlungsmittel der Wahl
sein sollte. Leider hatte das ein paar Nachteile, die meinen Urlaub fast noch
in Frage gestellt hätten. Ich erhielt zwar eine Bestätigung über die Buchung
der Reise, wurde aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Reisekosten
erst am 5. Januar von meinem Konto abgebucht würden. Da wähnte ich mich aber
schon lange am Strand. Da ohne Zahlung aber kein Abflug erfolgen könne, gab es
da ein kleines logistisches Problem. Darauf angesprochen, beruhigte mich „Last
minute.de“ (wo ich gebucht hatte), dass schon alles in Ordnung wäre. In der Reisebestätigung, die von ÖGER kam,
fehlten dann aber prompt die Flugscheine und der Hotelgutschein, da ich ja noch
nicht bezahlt hätte. Also wieder angerufen, wieder gemailt, wieder vertröstet
worden. Irgendwie haben die das logistisch noch nicht im Griff, Zahlungen per
SEPA abzulehnen, wenn der Reisetermin bereits vor dem Abbuchungstermin liegt.
Am Tag vor dem Abflug kam dann eine neue Reisebestätigung, diesmal mit den
Flug- und Hotelgutscheinen. Allerdings stand auch hier wieder im Text, dass die
Reise noch nicht bezahlt sei und ich nur fliegen könne, wenn ich eine Überweisungsbestätigung
vorweisen könne. Erneute Rückfrage. „Das steht nur so da, das hat bei Ihnen
keine Bedeutung“, bedeutete man mir, langsam genervt. „Warum schreiben Sie es
dann?“ – „Das ist halt so, das geht alles automatisch.“ Moderne EDV eben. Es
klappte dann alles problemlos. Zumindest was den Flug anging.
Der Abflug verzögerte sich etwa eine halbe Stunde, weil die
Maschine noch nicht fertig war. Wir saßen direkt neben der 737-300 im
Zubringerbus und schauten zu, wie die Abdeckungen der Triebwerke entfernt
wurden und die Maschine so langsam flugfertig gemacht wurde.
Der Flug selbst startete morgens um kurz nach elf und
dauerte vier Stunden und zehn Minuten. Zu essen gab es genau ein Pumpernickel-Käse-Sandwich.
Zu trinken zwei kleine Becher Wasser. Kurz vor der Landung spendierte Condor
den Passagieren ein Glas Sekt, weil es ja Neujahr war. Ich habe dankend
verzichtet, weil mir die Silvesterparty vom Vorabend noch ein wenig in den
Gliedern steckte.
Nach der Landung war es dann vorbei mit der deutschen Pünktlichkeit.
Zunächst wurden wir – nach Reiseunternehmen getrennt – zu einem Schalter
geführt, an dem jeder 26.- Euro für ein Touristenvisum zahlen musste (2012
hatte das noch 15 Dollar gekostet!). Dann eine weitere, ewig lange Schlange an
der Passkontrolle. Von den 12 Stationen waren nur vier besetzt, was zu einer
Wartezeit von ca. 40 Minuten führte. Bis wir dann endlich von einem
Zubringerbus zu den Hotels gefahren wurden, waren schon wieder 1,5 Stunden
vergangen. Der Bus fuhr zick-zack durch Hurghada und setzte mich als Vorletzten
vor dem Smartline Colour Beach-Hotel ab. Mein Koffer wurde auf dem Dach des
Kleinbusses transportiert und war bereits sehr sandig, denn ein unangenehmer,
eiskalter Wind mit feinem Sand fegte durch die Straßen.
Das Empfangsgebäude des
„Smartline“ war winzig. Es enthielt die Rezeption, eine kleine Bar mit etwa 20
Sitzplätzen (alle völlig durchgesessen!) und eine Toilette. Meinen Koffer
stellte man vor der Tür ab („...da passiert nix!“) und bat mich, erst einmal
etwas essen zu gehen. Das wollte ich gerne, aber das direkt neben der Lobby
liegende Restaurant war leider bis auf den letzten Platz besetzt. Es war halt
nicht sonderlich groß. In den beiden angebauten Zelten im Freien waren zwar
noch Plätze frei, aber hier hatte der Wind das Sagen, so dass ich wieder zurück
an die Rezeption ging, um mir erst mal mein Zimmer anzusehen. Und da gab es
dann doch Probleme. Ich hatte zwar den Voucher, also den Hotelgutschein, war
aber dort nicht als Gast angemeldet. Kein Wunder, ich hatte ja auch laut System
noch immer nicht bezahlt. Es dauerte weitere zwanzig Minuten und einige
Telefonate, bis ich endlich ein Zimmer zugeteilt bekam. Mein Koffer war
tatsächlich noch nicht geklaut worden, so dass mich Ashrad, der Kofferjunge,
für zwei Euro Trinkgeld zu meinem Domizil begleitete. Hinter dem
Empfangsgebäude begann erst die eigentliche Anlage, die aus insgesamt sechzehn Gebäuden
bestand.
Inzwischen waren ein paar Plätze frei geworden und ich
suchte mir ein paar leckere Dinge aus: Hähnchen, Gemüse und Reis. Dazu ein Glas
Weißwein. Wenn das Essen so warm gewesen wäre wie der Wein, hätte es ein
schöner Abend werden können. Aber dieses Problem ließ sich die ganze Woche
nicht aus der Welt schaffen: Das Essen war genau so lauwarm wie der Wein. So
verzog ich mich wieder in die kleine Lobby-Bar nebenan und las in irgendeinem
Buch weiter, das ich schon zu Hause begonnen hatte. (Wenn ich sage, „ich las in
einem Buch“, meine ich natürlich, dass ich das Buch im iPad gelesen habe.
„Echte“ Bücher schleppe ich schon lange nicht mehr mit mir rum.) Um halb zehn
sollte in der Rezeption des Nachbarhotels „Festival“ eine „tolle“ Animation
stattfinden. Nachdem ich mir den Raum und die Leute angeschaut hatte, bin ich
wieder zurück in die Bar und habe das Buch fertig gelesen, den einen oder
anderen warmen Wein dazu schlürfend.
Bei Condor lässt´s sich prächtig speisen |
Weihnachten auf Ägyptisch |
Blick aus dem Balkon auf den Pool und das dahinter liegende Meer. |
Die Leute. Was waren da im „Festival“ für Leute? Tja, was
soll ich sagen? Vielleicht, dass es ganz so aussieht, als wäre Ägypten
inzwischen auch von Russland annektiert worden? Kein Geschäft ohne russische
Leuchtreklame, kein Ägypter ohne feinste russische Sprachkenntnisse, kein Tisch
ohne deutlich slawische Gesichtszüge. Deutsch sprechen auch noch die meisten,
aber bei Englisch sieht es schon mau aus. Und mit Arabisch tun sich die Gäste
in der Regel schwer. Ich saß inzwischen an einem Tisch mit einer nett aussehenden
Dame mittleren Alters, die alle zwei Minuten ihr Galaxy-Handy auf Nachrichten
überprüfte und ansonsten in einem Buch las. Ab und zu musste sie mal auf die
Toilette und bat mich, solange auf ihre Sachen aufzupassen. Auf Russisch
natürlich. Ich habe es aber dennoch verstanden. Als ich mit meinem Buch durch
war, bin ich auf mein Zimmer gegangen. Die Uhrzeit ist um eine Stunde gegenüber
Deutschland verschoben. Um Mitternacht, also 23.00 Uhr deutscher Zeit, begann
ich – nach einigen Comedy-Folgen auf „Comedy Central“ – die Nachtruhe. Das Bett
war ziemlich hart und daher ideal für meinen Rücken. Ich bin trotz meines
eiskalten Zimmers irgendwann eingeschlafen. Die Nachtruhe wurde zwar durch ein
paar nächtliche Feuerwerke und den pfeifenden Wind des Öfteren unterbrochen,
aber das war mir irgendwann egal.
Blick auf den beheizten Pool. |
Rolf Dobellis „Kunst des klugen Handelns“ hatte ich zwar
schon mal gelesen, aber angesichts der
wenigen Optionen, die ich hier hatte, war es sicher eine kluge Handlung, dieses
Buch nochmals durchzulesen. Unterbrochen durch zwei Speisungen im mittlerweile
nur noch halb gefüllten Speisesaal und einem weiteren Spaziergang bei
Windstärke zehn hatte ich das Buch bis zum Abend durch. Gerade rechtzeitig, um
mir auf der Bühne des Haupthotels eine landestypische „Oriental-Show“ anzutun,
bei der ein bisschen Bauchtanz und fliegende Röcke die russischen Fans zum
Kochen brachten. Bevor das alles in Ekstase ausartete, verzog ich mich wieder
in die kleine Bar in „unserem“ Empfangsgebäude. Langsam erkannte ich, dass
manche Russen gar keine Russen, sondern Bayern waren. Ich konnte sogar ein paar
Worte mit einer jungen Deutschen reden, die wohl drei Jahre lang in Hurghada in
irgendeinem Luxushotel gearbeitet hatte und jemanden suchte, der ihr Geld
wechseln konnte. Nennen wir sie Sabine. Geld? Hatte ich keins. Ich hätte auch
gar nicht gewusst, wo ich das hätte wechseln können. In der Rezeption
jedenfalls nicht, wie das Mädel feststellte. Und die Banken sind irgendwo in
der Stadt. Einen Automaten gab es auch nicht. Also ließ ich das mit dem Geld.
Gegen 23.00 Uhr kämpfte ich mich dann in mein eiskaltes Zimmer und ging
erstmals seit Jahren halb angezogen ins Bett. Überflüssig zu erwähnen, dass die
Klimaanlage nur kühlen, aber nicht heizen konnte. Im Fernsehen lief „Stubbe“
und auf meinem iPad war die Batterie leer.
Am Samstag war ich schon eine Stunde früher wach.
Blöderweise hatte ich meinen Haarfön zu Hause vergessen, was aber angesichts des
sich steigernden Windes ohnehin egal war. Da das iPad über Nacht wieder voll
aufgeladen wurde, konnte ich mir zum Frühstück die „Frankfurter Rundschau“
runterladen und sie gemütlich bei Omelett, gutem Kaffee und Obstsalat
durchlesen. Na ja, ganz durch kam ich natürlich nicht, da das Laden der
einzelnen Seiten sehr viel langsamer vonstatten ging als ich sie lesen konnte.
Irgendwann haben die dann das Restaurant geschlossen und ich musste mich
entscheiden, wie der Tag laufen soll.
Plan A: Sofort zurückfliegen. Ein weiterer Spaziergang bis
zum Meer und zurück ließ den Entschluss in mir reifen, die Reise kurzfristig
abzubrechen und gen Heimat zu fliegen. Ich suchte meinen Reiseleiter auf, der sich
gerade zufällig in der Bar befand und erklärte ihm mein Vorhaben. Er sagte,
dass ab morgen das Wetter ganz sicher wieder gut würde. Woran liegt es nur,
dass ich ihm nicht glauben wollte? Nein, ich wollte wieder nach Hause, ins
kalte und mittlerweile verschneite, aber windfreie Friedrichsdorf. Yussuf
telefonierte. Oder tat so, als ob er telefonierte. Wer weiß das schon. Leider
stellte sich heraus, dass alle Flieger bis zum 15.1. angeblich ausgebucht seien.
Und da mein Rückflug ja für den 8. bestätigt war, konnte ich Plan A leider
nicht umsetzen. Yussuf wollte mich zu Plan B überreden: Kairo oder Luxor.
Ersteres war mir zu gefährlich, Letzteres hatte ich mir gerade vor drei Jahren
angeschaut (siehe rme-nil.blogspot.com). Blieb noch Plan C: Ausflüge buchen.
Um das Ghetto zu verlassen, konnte man bei Yussuf und seinen
Kollegen ein paar Ausflüge buchen. Und das tat ich dann auch. Einmal U-Boot
fahren mit Fische gucken für 46.- Euro und eine Stadtrundfahrt für denselben
Preis. Am Montag und Dienstag zwar erst, aber nun hatte ich wenigstens ein
Ziel, bzw. sogar zwei Ziele. Da ich aber auch den Samstag und den Sonntag
irgendwie rumkriegen musste, blieb noch die Möglichkeit, die Stadt auf eigene
Faust zu erkunden. Ich nutzte das Gespräch mit Yussuf aber auch, um mich
darüber zu beschweren, dass es in meinem Raum gar keine Heizung gäbe.
Zunächst habe ich mir die Altstadt von Hurghada vorgenommen.
Hierzu konnte ich im Hotel ein Taxi bestellen, das nur 4 Euro kosten sollte und
mich direkt am Eingang zur Altstadt absetzte. Der Fahrer wollte gar kein Geld,
sondern „übergab“ mich an einen der vielen Händler, die auf so einen doofen
Deutschen geradezu gewartet hatten. Als ich aber ganz schnell klar machte, dass
ich nicht vorhabe, einen Begleiter an meiner Seite zu dulden, wurde er gleich
ein bisschen pampig und rief mir irgendetwas sicher sehr Unhöfliches auf
arabisch hinterher. Ich bin dann trotzdem kreuz und quer durch die Altstadt
gelaufen. Es war so, wie es immer ist. Jeder quatscht einen an und will einem
was verkaufen. Und zwar das Übliche. Kamele, gefakte Kleidung, Uhren und Schmuck.
Manchmal sieht man tolle Antiquitätenläden, die aber leider alle geschlossen
waren. Irgendwie wird auch in Ägypten nicht mehr jeden Tag gearbeitet. Die
Gebäude in der Altstadt sind größtenteils einsturzgefährdet, was aber den
Bewohnern anscheinend nichts ausmacht. Dreck und Schmutz, wo man nur hinschaut.
Übrigens nicht nur in der Altstadt. Es
scheint kein Gesetz zu geben, das die Müllberge im Griff hat. Ich hätte gerne
mal in einem der wenigen Cafés ein Getränk eingenommen, aber die hygienischen
Zustände haben mich davon abgehalten. Außerdem waren die Sitzplätze
grundsätzlich im Schatten, was ja im Sommer auch sinnvoll ist. Nur bei mittlerweile
„nur“ noch Windstärke 5-6 wird´s a bisserl unangenehm. Auch in Hurghada gibt es
inzwischen eine Invasion der Handy-Shops. Nach dem zwanzigsten habe ich
aufgehört zu zählen. Leider konnte ich die Preise nicht mit denen aus
Deutschland vergleichen, da alle Angaben auf Arabisch waren. Ich verstehe zwar
jedes Wort arabisch, weiß nur nicht, was es auf Deutsch bedeutet. Haha, kleiner
Scherz am Rande. Arabische Zahlen sollten zwar den unseren ähneln, aber sie
sehen trotzdem anders aus. Nur die 1 und die 9 sehen sich ähnlich, wie mir
Wikipedia gerade verraten hat.
Nachdem ich rund eineinhalb Stunden rumgelaufen war, haben
sich die Geschäfte immer mehr geähnelt. Es war durchaus möglich, dass ich die
ganze Zeit im Kreis gelaufen war. Wie auch immer, ich bestieg ein einheimisches
Taxi und ließ mich ins Hotel zurückbringen. Da der Fahrer mich nicht verstanden
hatte, zeigte ich ihm mein rosa „All-Inclusive“-Bändchen mit dem Hotelnamen
drauf. Dieses Bändchen entspricht in Deutschland der Hundemarke, wenn ich das
richtig verstanden habe.
Leider konnte mich mein Taxifahrer nicht nur nicht
verstehen, er konnte offenbar auch nicht richtig lesen, denn die Fahrt dauerte
bedeutend länger als die Hinfahrt vom Hotel aus. Irgendwann landete er dann gar
auf einer Art Autobahn, die Richtung Flughafen führte. Da habe ich ihn dann
gestoppt und nochmal auf mein Bändchen gezeigt. „Ah, Festival Shedwan Golden Beach Hotel! Not Festival Al
Goona!“ sagte er und war ziemlich zerknirscht, da wir in diesem Augenblick vor
dem falschen Hotel mit demselben Namen angekommen waren. Es war nur ein
paarhundert Meter von dem Hotel entfernt, in dem ich schon vor drei Jahren eine
Woche Badeurlaub verbracht hatte. Damals waren wir kaum aus dem Hotel gekommen,
sodass ein Reisebericht sich nicht gelohnt hätte. Es war quasi die Fortsetzung
unserer Nilkreuzfahrt, auf die ich ja schon hingewiesen habe. Dieses Mal komme
ich zwar auch kaum aus dem Hotel heraus, aber irgendwas muss ich ja machen.
Also schreibe ich auf, was mir so auffällt. Die Fahrweise der Ägypter ist
beispielsweise extrem angsteinflößend. Nicht nur, dass das altersschwache Honda-Taxi
bei Geschwindigkeiten oberhalb 50 km/h schwer ins Schlingern geriet, waren auch
die Bremsen schon lange runtergehobelt, wie man an den kreischenden Geräuschen
bei jeder Bremsung hören konnte. Die Straßen sind anscheinend planlos in den
Wüstensand gesetzt worden, und so manche vierspurige Autobahn endet
unvermittelt vor einer großen Betonmauer. Um abzukürzen, nimmt der Ägypter auch
gerne kurze Strecken auf der Gegenfahrbahn in Kauf, und allgemeine
Verkehrsregeln werden durch lautes und dauerndes Hupen ersetzt. Es gibt so gut wie
keine Ampeln, dafür aber alle 200 Meter dicke Hubbel auf der Straße, damit die
Fahrer die Geschwindigkeit zurücknehmen. Mit ein bisschen Pech kommt einem auch
ein Eselsgespann auf der Autobahn entgegen. Bei Nacht übrigens alle so gut wie
ohne Licht.
Irgendwann hatte ich diese Taxifahrt überstanden und das
Hotel wieder erreicht, wo gerade eine Horde neuer Bleichgesichter angereist
kam. Interessanterweise waren trotz der eisigen Winde viele Leute gewillt, Ihre
Haut in die Sonne zu halten, denn man konnte bereits eine Menge Sonnenbrände
bewundern. Die Sachsenfraktion war inzwischen auf ein halbes Dutzend Exemplare
angewachsen, die sich alle so benahmen, wie man es aus RTL2 kennt. Sorry –
natürlich sind die meisten Sachsen wohlerzogene Menschen, intelligent und
redegewandt, aber bei diesen Exemplaren waren es dann doch mehr die Damen und
Herren, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens wohnen und das durch
ihre Sprache, Ihr Aussehen und Benehmen deutlich machen. Die schon morgens Bier
in sich reinschütten, mittags lallen und nachmittags mit offenem Hemd und
offenem Mund schnarchend in den Sesseln vor dem Restaurant liegen und ihren
Rausch ausschlafen.
Nutzen wir die Gunst der Stunde, um überhaupt mal zu klären,
wo wir uns befinden, liebe Kinder. Wir sind in Afrika, genauer gesagt, im
Norden Afrikas, in Ägypten. Das ist ein ziemlich groß geschnittenes Viereck
oben rechts in Afrika. Kairo, die Hauptstadt, liegt ganz im Norden. Ägypten hat
einen großen Fluss, den NIL. Der schlängelt sich das durch ganze Land von Süden
nach Norden, fließt also quasi „nach oben“, was natürlich Quatsch ist. Es ist
für uns halt ungewohnt, dass ein Fluss nicht die Landkarte „runter“, sondern
„hoch“ fließt. Geplante und bereits gebaute Stauseen im südlichen Nachbarland Sudan
führen dazu, dass der Nil immer weniger Wasser mit sich führt und manchmal
sogar austrocknet. Bei unserer Nilkreuzfahrt vor drei Jahren sind wir einige
Male mit dem Schiff im seichten Wasser steckengeblieben.
Das wollen die Ägypter natürlich nicht und beschweren sich
daher lauthals bei ihrem südlichen Nachbarn Sudan, mit dem Bau weiterer
Stauseen aufzuhören. Mal sehen, wie das ausgeht. Hurghada gehört mittlerweile
zu den größten Städten Ägyptens. Während Wikipedia von 160.000 Einwohnern
spricht, hört man vor Ort eher die Zahl 500.000. Im Sommer kommen noch ein paar
Millionen Touristen hinzu. Da die Ägypter größtenteils muslimischen Glaubens sind,
gibt es außer in den Hotels, bzw. touristischen Lokalen auch nirgendwo Alkohol,
somit auch keine „natürlichen“ Nachtclubs oder Discotheken. Hurghada hat die
schon erwähnte Altstadt zu bieten, eine neu errichtete Neustadt, einen
luxuriösen Jachthafen (2008 eröffnet) mit über 50 Geschäften und Restaurants
und ein weiteres, nördlich gelegenes Touristengebiet namens „El Goona“. Hier
steht ein Superluxus-Hotel neben dem anderen. Da, wo noch keins steht, stehen
Ruinen. Denn nach den arabischen Unruhen haben wohl viele Geldgeber kein
Zutrauen zu Ägypten mehr gezeigt und die Bauarbeiten im Rohbau eingestellt. Im
Süden geht es aber genauso schnell weiter. Auch hier sind neue Luxushotels und
Einkaufszentren vom Feinsten gebaut worden.
Bezahlt wird mit Ägyptischen Pfunden, wobei 1 Euro etwa 9
Pfund sind. In der Altstadt hatte ich mir 200 ägyptische Pfunde aus dem
Automaten gezogen, was also etwa gerade mal 23 Euro entsprach. Die Taxifahrt
hatte – trotz des Riesenumwegs – nur 25 Pfund gekostet. (Ich hatte dem Fahrer
natürlich mehr gegeben, weil er mir leidtat und weil ich noch am Leben war).
Die meisten Einwohner der Stadt sind ganz normal westlich gekleidet:
Jeans, Hemd, Turnschuhe. Manchmal laufen ältere Männer auch noch in
traditionellen beduinischen Klamotten durch die Gegend, aber nur selten. Frauen
sieht man so gut wie gar nicht. Es gibt keine Kellnerinnen, Zimmermädchen oder
sonst wie weibliche Beschäftigte im Hotel. Alle Arbeiten werden von schlanken,
oft gutaussehenden Männern im Alter zwischen 20 und 40 erledigt. Viele haben
das typisch ägyptische Aussehen, das sich deutlich von dem anderer Araber
unterscheidet. Bei den Touristenführern sind hie und da auch Frauen zu sehen,
aber das sind keine Einheimischen. In der Altstadt bin ich vielleicht ganze
drei Mal irgendwelchen jungen Mädchen (verschleiert) begegnet – alle anderen
Menschen in diesem Viertel waren Männer. Sehr seltsam. Warum werden die Frauen
versteckt und wo sind sie? Die Theorie eines Reiseleiters einer späteren Tour,
auf die ich noch zurückkommen werde, lautete, dass junge Mädchen vor ihrer
Heirat die Familie nicht verlassen dürfen. Und Arbeit in einem Touristenhotel
würde eine Trennung von der Familie bedeuten, da die Familien für so einen Job
nicht nach Hurghada ziehen würden. Bei Männern ist es eh wurscht. Das junge
Mädel von neulich, nennen wir sie weiterhin Sabine, meinte, dass es aber noch
einen weiteren Grund gäbe. Eine Frau als Zimmermädchen könnte unvorbereitet mit Unterwäsche von Männern
konfrontiert werden, gar ein gebrauchtes Kondom finden oder – Gipfel der
Perversion – ein Klo putzen müssen, auf dem ein Mann kürzlich gesessen hat. Und
das könnte das Ende ihrer Reinheit bedeuten. Damit wäre sie in den Augen der
Ägypter nichts mehr wert. Und um das Elend komplett zu machen, werden die
Mädchen hier nach wie vor beschnitten. Dass das inzwischen verboten ist,
interessiert niemanden. Vor allem die Großmütter und Mütter bestehen angeblich
darauf. Soll es doch den Kindern nicht besser gehen als ihren Vorfahren. Der
ägyptische Mann tut sich damit übrigens keinen gefallen. Im Gegenteil: Wenn so
ein Testosteron-gesteuerter Araberhengst mal zufällig mit einer Touristin
schläft, bei der das Lustsystem noch in Ordnung ist, wird er zukünftig nur noch
fremd gehen wollen. Trotzdem verstümmelt und verschleiert er die Schönheiten
des Orients.
Im Hotel gab es übrigens genügend Frauen, also Touristinnen.
Viele Damen waren nicht mit ihrem Freund/Mann angereist, sondern mit ihrer
Freundin. Auch waren viele Mütter mit ihren kleinen Kindern unterwegs, ohne
dass ein zugehöriger Vater auszumachen gewesen wäre. Das Gesamtniveau der Gäste
lag aber leider eher im unteren Bereich, was wohl auch dem günstigen Preis
zuzuschreiben war. Ein paar Ausnahmen bestätigten wie immer die Regel. So hatte
ich nette Gespräche mit einem Paar aus Hof und einem Herrn aus Leipzig (Sic!).
Die Kellner haben irgendwie auch einen Narren an mir gefressen. Ich bin so
ziemlich der einzige, der seine Getränke an den Platz gebracht bekommt und
unaufgefordert Nachschub erhält, sollte das Weinglas mal leer sein. Da der Wein
nicht nur lauwarm ist, sondern auch aus Plastikflaschen ausgeschenkt wird, auf
denen ein „FANTA“-ähnliches Logo prankt, bin ich verwundert, dass ich anscheinend
mit diesem Teufelszeug keinerlei Probleme hatte. Da ich bisher auch noch nicht
im Geringsten betrunken war, besteht der leise Verdacht, dass der Wein
vielleicht alkoholfrei war...
Aber auch dieses Mysterium konnte mir Sabine erklären. Der
Wein wird nämlich in großen Plastikgallonen angeliefert, die einfach nicht in
die Kühltheke passen. Also füllt man sie zunächst in große Bottiche, denen man
eine nicht unerhebliche Menge Wasser zugibt (kein Witz!). Und dann wird die
verdünnte Plörre in gerade zufällig vorhandene Plastikflaschen (also auch Cola-
oder Fantaflaschen) umgefüllt.
Jeden Tag gab´s neue Tiere, aus Handtüchern gedeichselt. |
Auf Gin Tonic und Bacardi Cola (allerdings mit einheimischen
Spirituosen) habe ich bisher verzichtet. Die Kommentare der Mitreisenden waren
zu vernichtend, zumal es selbstverständlich keine Eiswürfel in den Longdrinks
gibt. (An dieser Stelle sei mir ein wenig Heimweh nach Friedrichsdorf, ins
„Impuls“ gestattet. Olaf, Du machst das alles viel besser!)
Nach dem Abendessen, das leider nicht so dolle war, saß ich
noch eine Weile in der Hotelbar und las die Rundschau vom Morgen zu Ende. Ein
kurzer Blick auf die Showbühne des Haupthauses zeigte mir, dass das Animations-Programm
schon vorbei war. Also ab ins Bett. Und da erlebte ich tatsächlich eine große
Überraschung: Ich hatte mich ja morgens beschwert, dass meine Klimaanlage nur
kühlen, aber nicht heizen könne. Jetzt konnte sie es plötzlich, und in meinem
Zimmer waren es wohltemperierte 30 Grad. Ich musste den Raum also erst mal
wieder runterkühlen, um es überhaupt dort auszuhalten.
Der Sonntag begann wie alle Tage. Ich war noch ein wenig
früher wach und landete damit schon um 9.00 Uhr im diesmal vollbesetzten
Restaurant. Ich musste ein paar Minuten warten, bis ein Platz frei wurde. Diese
Zeit habe ich genutzt und angefangen, den SPIEGEL runterzuladen, der inzwischen
zum Download bereit lag. Nach etwa 1,5 Stunden war er auf dem iPad angekommen.
Zuhause dauert es 1,5 Minuten.
Der restliche Vormittag ging irgendwie an mir vorbei. Lesen,
i-Dinger aufladen, Blog schreiben und Mittagessen. So langsam war mir klar,
warum ich meine Getränke immer sofort und unaufgefordert serviert bekam. Es waren
immer dieselben zwei Jungs, die mich anlächelten. Mist. Nun auch das noch. Wird
eine bittere Enttäuschung sein, wenn ich demnächst knutschend mit irgendeinem
Girl zum Abendessen komme. Na gut, die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null.
Homosexualität ist in Ägypten natürlich verboten und wird (angeblich) mit der
Todesstrafe gesühnt. Dass es selbstverständlich auch hier denselben Prozentsatz
Schwuler wie auf der ganzen Welt gibt, will man nicht wahr haben. Viele wissen
vielleicht gar nichts über ihre Sexualität, da immer noch die meisten
Hochzeiten auf dem Papier geregelt werden, ohne dass das Brautpaar auch nur die
geringste Gelegenheit hatte, mal seine sexuelle Orientierung zu erkunden.
Nach dem Mittagessen habe ich meine zweite Solo-Tour
gestartet. MARINA, der neue Yachthafen von Hurghada. Ich hatte ihn schon 2012
gesehen und konnte keine wesentlichen Änderungen feststellen. Ein paar
Geschäfte hatten aufgegeben, hie und da gab es bröckelnde Mauerwerke, aber
alles in Allem hatte sich der neue Yachthafen gut gehalten. Für das Taxi
dorthin bezahlte ich wieder 50 Ägyptische Pfund, also gut 5 Euro.
Nach einem
Rundgang durch den Fischmarkt (Schöne Fotos gemacht!) klapperte ich also
gemütlich den Yachthafen ab und blieb auf dem Rückweg in einem Lokal hängen,
dass außer (kostenlosem) WiFi auch „richtigen“ Wein zu günstigen Preisen anbot.
Am neuen "Marina"-Hafen |
Viel zu schade zum Essen... |
Meine Barschaft hatte ich an einem Automaten nochmal
großzügig um 2000 Pfund erhöht, so dass ich mir eigentlich fast alles leisten
konnte. So saß ich dann in der Sonne, die meine Wange mit ihren Strahlen
streichelte und checkte über das kostenlose WLAN die Welt. Und wenn nicht
irgendwann die Sonne verschwunden wäre und mich zum Frösteln gebracht hätte,
wäre ich wohl bis Mitternacht dort geblieben. Der Wein, dessen Herkunft ich
überhaupt nicht erfahren habe, schmeckte außerordentlich gut. Zwei Gläser davon
am helllichten Nachmittag bewirkten durchaus eine Reaktion, die mir bekannt
vorkam. Üblicherweise hätte ich jetzt das Auto stehen gelassen, aber ich hatte
ja gar keins dabei. Also musste ich mir wieder ein Taxi nehmen. Der Fahrer war
allerdings unverschämt. Er wollte für dieselbe Strecke wie auf meiner Hinfahrt
den doppelten Betrag, also 100.- Pfund. Ich bat ihn, wieder anzuhalten, da ich
nicht bereit sei, das zu bezahlen. Dann lachte er, sagte, wenn ich kein Geld
hätte, wär das auch kein Problem, dann würde es eben nur 50.- Pfund kosten.
Also blieb ich sitzen. Dann fragte er – wie üblich – wo ich herkäme. „Germany“,
sagte ich. „Dann es kostet 200 Pfund“ sagte er eiskalt und fing erst an zu
lachen, als er sah, dass ich in diesem Punkt nun überhaupt keinen Spaß mehr
verstehen würde. „Wie ist Dein Name?“ frage er mich weiter aus. Ich sagte ihm,
ich hätte keine Lust, mit ihm zu sprechen. Er möge bitte einfach nur fahren.
Vor dem Hotel gab ich ihm wortlos die 50.- Pfund. „Alles wieder gut?“ fragte er
abschließend. „Ja“, knurrte ich und schälte mich aus dem Hyundai. Ich hätte
darauf bestehen sollen, dass er das Taxameter einschaltet. Dann würde er für
die Fahrt wenigstens Steuern zahlen. Aber wie man so hört, drücken sich wohl
alle Taxifahrer darum. Sabine sagte mir später, dass etwa sieben Pfund auf dem
Taxameter hätten stehen müssen.
Als ich da so in der Sonne saß und die Passanten anschaute,
fielen mir ein paar Dinge auf:
1.
Der gut aussehende Ägypter nimmt sich gerne
europäische Touristinnen zur Freundin. Und zwar genau die, die aus nahe
liegenden Gründen zu Hause keine Freunde bekommen. Scheint ein lukrativer Job
zu sein.
2.
Wenn Ägypter hingegen gut aussehende
Europäerinnen als echte Freundin haben, rauchen sie gerne Wasserpfeife, während
die Freundin in Büchern liest oder in Facebook rumtrödelt. Gesprochen wird dann
kaum noch. Erst beim Bezahlen „leiht“ sich der ägyptische Lover dann gerne mal
Geld vom Mädel.
3.
Touristen sollten bei allem, was sie laut sagen,
immer daran denken, dass jemand in der Nähe sitzen könnte, der deren Sprache
versteht. So auch an diesem Nachmittag, als drei Berliner sich schräg hinter
mich setzten und über durchaus kriminelle Dinge im zwischenmenschlichen Bereich
diskutierten. Als ich bezahlt hatte, habe ich mich noch mit einem freundlichen
„Schönen Tag noch“ verabschiedet, was den Dreien augenblicklich sämtliche Farbe
aus dem Gesicht getrieben hat. Hoffentlich finden sie nicht raus, wo mein Hotel
wohnt...
Der richtige Wein hatte mich ein wenig beschwipst und mir gute
Laune gemacht. Das nach wie vor lauwarme Abendessen passte bestens zum
lauwarmen Wein. Zufällig traf ich auch „Sabine“ wieder, die – jetzt kann ich es
ja verraten – wegen ihrer früheren Mitarbeit in diesem Hotel nicht
wiedererkannt werden möchte. Sabine hat aus ihren langen ägyptischen Jahren viele
Freunde in Hurghada. Und wenn sie zufällig hier zu Besuch ist, belegen
natürlich alle diese Freunde möglichst viel ihrer freien Zeit. Nach dem Essen
hatte sie noch Lust, sich die Nightshow im Haupthotel anzuschauen, bevor sie
ein Date in der Innenstadt erwartete. Deshalb gingen wir die paar Meter rüber
in die Rezeption des Haupthotels. Und jetzt wurde ich auch endlich aufgeklärt,
was das mit diesen beiden Hotels zu bedeuten hatte. Vor ein paar Jahren kaufte
Thomas Cook den Laden, der ziemlich am Ende war. Man teilte das Hotel in zwei
Bereiche. Das Haupthotel „Festival“ sollte zukünftig nur den boomenden Russen
dienen und das neuerbaute „SmartLine Colour Beach Hotel“ den Europäern zu
Diensten sein. Die Russen hatten streng in ihrem Ghetto zu bleiben, während die
Europäer durchaus auch nach Russland eindringen konnten. Na ja, das kennt man
ja aus der Geschichte. Inzwischen hat sich das aber wieder geändert. Die Russen
sind inzwischen auch in den europäischen Teil des Hotels eingezogen.
Ähnlichkeiten zu aktuellen politischen Ereignissen sind rein zufällig. Es ist aber alles halb so schlimm. Im
Gegensatz zu den Horrormeldungen z.B. aus Thailand benehmen sich die Gäste in
„unserem“ Hotel durchaus anständig. Jedenfalls, bis ich im Bett bin.
Geschichten vom Hörensagen will ich nicht kommentieren.
So, Sabine zog dann ab, und ich wanderte die dreißig Meter
zurück in die Lobby-Bar. Der einzig freie Platz war bei einem jungen Paar , das
Karten spielte. Beide waren Lehrer aus Marburg, wobei aber nur er derzeit einen
Job hatte und sie schon seit drei Jahren – nach Ihrer Abschlussprüfung – auf
einen solchen wartete. Schon komisch. Da bildet der Staat für teures Geld
dringend benötigte Lehrer aus, und dann hat er keinen Job für sie. Mit den
beiden habe ich mich noch sehr lange und intensiv unterhalten, bis ich dann
auch endlich – nach unzähligen verdünnten Weinen – genug hatte vom Trubel der
Nacht. Immerhin wartete morgen mein erster „offizieller“ Ausflug auf mich:
Tiefseetauchen im U-Boot.
Der Ausflug begann um 11.10 Uhr. Pünktlich wurde ich vor dem
Hotel mit einem Zubringerbus abgeholt. Ich war nicht allein. Mit mir fuhr auch
ein etwa 40-Jähriger schlanker Mann aus meinem Hotel, der mir schon am
gestrigen Abend aufgefallen war. Und zwar wegen seines nervigen Gebabbels. Er
setzte sich ungefragt zu irgendwelchen allein sitzenden Damen und laberte deren
Ohren blutig. Die meisten haben schon nach wenigen Minuten aufgegeben und sind
einfach weggegangen. Nun saß er neben mir im Kleinbus und quasselte mich an. Er
wollte einfach besonders geistreich und witzig sein und lag mit seiner Nummer
leider völlig daneben. Er musste einfach alles kommentieren und seine Witzchen
darüber machen. Nun bin ich ja schon selbst jemand, der eher eine Freundschaft
aufgibt als einen Gag auszulassen, aber seine Scherze waren einfach zu blöde
für mich. Er kam mir vor wie ein Schüler, der von seinen Mitschülern ständig
gehänselt wird, weil er so dämlich ist. Dass er von Beruf Psychologe war, hat
mich dann noch nicht einmal gewundert.
Nachdem wir alle weiteren „Taucher“ aufgelesen hatten, landeten
wir an der Ausgangsbasis der Expedition – ganz im Süden von Hurghada. An der
Kasse erhielten wir rote Plastikmarken mit Platznummern, die mit den
entsprechenden Sitzplätzen im U-Boot korrelierten. 44 Plätze hatte jedes Boot –
und ich hatte die Nummer 44. Vor dem Transport zu den U-Booten mussten wir
warten, bis die letzte Tauchergruppe wieder zurückgekommen war. Damit man sich
in diesen etwa 30 Minuten nicht langweilte, konnte man sich die sehr schön
modellierten Fische und andere Meerestiere anschauen, die in sehr vielen
Schaukästen ausgestellt waren. Voller Stolz hatte die Betreiberfirma auch die
TÜV-Zertifikate (TÜV NORD) aushängt, um den Tauchern ein Gefühl der Sicherheit
zu vermitteln. Dieses Gefühl wäre um einiges besser gewesen, wenn der TÜV nicht
schon am 30.3.2013 abgelaufen gewesen wäre. Die ganze Zeit hing mir der
Psychologe an der Seite und plapperte seinen Unfug. Natürlich wollte er irgendwann
wissen, was ich denn so triebe. Ich sagte: „Ach wissen Sie, ich mache in
Mädchenhandel und Drogenschmuggel. Da bleibt wenigstens was hängen.“ Dreißig
Sekunden Stille. „Ja, ist ja auch ein Beruf.“ Sprach’s und ging mir aus dem
Wege.
Wer hat, der hat. |
Bevor wir in die U-Boote steigen konnten, mussten wir mit
einem Zubringerboot auf eine Plattform mitten im Meer gefahren werden. Die
Feuerlöscher auf diesem Boot waren aus dem Jahr 1993. Dann hieß es wieder
warten, bis eins der Boote freigeworden war und wir das U-Boot entern konnten.
Ja, es war wirklich ein richtiges U-Boot. Man musste eine senkrechte
Trittleiter ins Innere klettern, um an der Mission teilhaben zu können – was
für einige Damen und ältere Herren (nicht für mich!) gar nicht so einfach war.
Vor allem die Damen mit kurzen Röcken waren etwas aufgeschmissen.
Nun gut, irgendwann waren alle im U-Boot versammelt, und das
Abenteuer konnte beginnen. Im Vorfeld war von 25 Metern Tauchtiefe die Rede,
die Spannung wuchs. Mein Platz war direkt hinter der Kommandozentrale des Hightech-Ungetüms.
Kapitän und Co-Captain in ihren schicken Uniformen mit diversen Streifchen
machten es sich auf ihren Hockern bequem. Durchsagen auf Russisch und Englisch
verkündeten den Tauchgang und dann ging es auch schon los.
Na ja, so richtig los ging es leider nicht. Die Wassertanks
wurden nach und nach mit insgesamt 3600 Litern Wasser gefüllt. Das war ein
bisserl mehr als das Gesamtgewicht der Passagiere. Entsprechend langsam – und
vor allem – entsprechend wenig sank das U-Boot. Ich konnte die ganzen Daten ja
direkt neben mir im Cockpit mitlesen. Der Bildschirm in der Mitte der
Bedienungskonsole zeigte das Kamerabild vom Deck des U-Bootes. Und das blieb
die ganze Seit über Wasser. Oder anders gesagt: Mehr als ein oder maximal zwei
Meter sind wir nicht gesunken. Egal, wir waren unter Wasser, allein das zählte.
Vor den einzelnen Sitzen gab es zweierweise große Fenster, die den Blick in die
wilde Natur freigaben. Kinder jauchzten vor Freude, und mein Psychologe hatte
bereits ein neues Opfer gefunden. Alles wartete auf die Fische. Aber da waren
keine. Sollten wir im toten statt im Roten Meer gelandet sein?
Nun gut, es war Montag, und ich weiß nicht, nach welchen
Arbeitstarifen Fische beschäftigt werden. Heute waren jedenfalls keine Fische
zu sehen. Noch nicht. Denn die Betreiberfirma hatte sich doch tatsächlich ein
todsicheres System ausgedacht, die faulen Biester doch noch vor die Luken zu
locken: Man hatte einfach zwei echte, richtige Taucher beschäftigt, die
plötzlich vor unseren überraschten Augen auftauchten und mit Brot um sich
warfen. In Fischekreisen hatte es sich vermutlich inzwischen herumgesprochen,
dass da irgend so eine dämliche U-Bootfirma mit altem Weißbrot klotzt, um den
Fischen den eigenen Nahrungserwerb zu erleichtern. Ist ja klar, bevor man
mühsam den Meeresboden nach Plankton abgrast, nimmt man doch lieber die Krumen
dieser merkwürdigen, schwarz gekleideten Männer als Speisung. Und so hatten wir
plötzlich unsere Fische vor Augen. Ein paar Zebrafische, etwa 10 cm groß und
Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Silberfischen (nicht die Sorte aus meinem
Bad, etwas größer waren sie schon).
Das Tempo des U-Bootes (soll ich es wirklich noch so
nennen?) betrug etwa ein Meter pro Minute, was man nicht gerade als schnell
bezeichnen kann. Und so wurde die Fahrt trotz der Fütterung nicht gerade ein
Action-Spektakel. Als hätten die Jungs von „Seebird“ das nicht vorhergesehen,
haben sie zwei weitere Trümpfe aus dem Ärmel geholt: Zum Einen sah man
plötzlich eine steinerne Meerjungfrau auf dem Boden liegen, die von den Fischen
zwar gänzlich ignoriert wurde, aber immerhin für eine Abwechslung des Testbilds
sorgte, und zum Zweiten tauchte plötzlich ein gesunkenes Schiff auf! Ja, ein
mit Goldfässern beladener Kahn, der da zufällig am Meeresboden vor sich
hindümpelte. Hui, haben die Kinder gejubelt! Jedenfalls die auf meiner Seite.
Auf der anderen Seite war ja leider nichts zu sehen. Während ich noch darüber
nachgrübelte, warum man die Schätze der Tiefsee nur der einen Hälfte des
U-Bootes vorzeigte, hatte dieses bereits heimlich gedreht und kam auf dem
Rückweg wieder an dieser Schabracke vorbei, diesmal nur für die andere Seite
sichtbar. Auch die Seejungfrau tauchte wieder auf, und das Schiffchen dann
irgendwann – nach viel zu langer Zeit – endlich auch.
Was für ein Fake! Das U-Boot war zwar ein solches, weil wir
wirklich unter Wasser waren, aber die Tauchtiefe war ja nun einfach lächerlich.
Die Strecke war nicht frei gewählt, sondern ein etwa 100 Meter langer
Schleichweg unter Wasser, der Disneypark-mäßig mit ein paar winzigen Effekten
ausgestattet wurde. Leid taten mir die armen Taucher, die mit Brot um sich
schmeißen mussten, um wenigstens ein paar einfachste Fischchen anzulocken und
die beiden U-Boot-Fahrer, die ja wohl den dämlichsten Job aller Zeiten haben.
Ich war heilfroh, nach weit über einer Stunde endlich wieder ins Freie klettern
zu können.
Im Bus saß ich dann leider wieder neben diesem Psychologen,
der schon auf dem Rückweg wieder Kontakt zu mir gesucht hatte. Irgendwie
schämen die sich ja für nix . Um ihm zumindest für heute zu entgehen, bat ich
den Busfahrer, kurz anzuhalten. Ich hätte noch was zu erledigen. Mit einem
gewissen Lächeln verabschiedete ich mich von der Nervensäge und beschloss, mir
einfach mal die Beine zu vertreten. Verlaufen konnte ich mich nicht, solange
ich einfach die Küste entlang lief.
Da es im U-Boot natürlich nichts zu essen gab (die Fische
waren ja draußen – haha!), bin ich so gegen drei in eins der vielen Luxushotels
gegangen und habe mir eine Portion Reis mit Schrimps und Hühnchen bestellt. Es
war so lecker wie selten. Außerdem gab es WiFi frei, sodass ich endlich mal
wieder ein wenig arbeiten konnte. Zehn Mails und drei Telefongespräche später
lief ich dann weiter Richtung Heimat. Und zehn Minuten und drei Gewissensbisse
später stieg ich dann ins Taxi zum Hotel.
Abends schlechtes Essen und erschreckende Erkenntnisse. Die
nette Familie mit der philipinischen Mutter, ihrer zehnjährigen Tochter und dem
sympathischen Ehemann haben sich als ziemliche Horsts geoutet. Prototypen des
typischen RTL-Zuschauers. Fans von Serien wie „Die Auswanderer“, „Zwegat“ und
dergleichen. Menschen, die aus Prinzip keine öffentlich-rechtlichen
Fernsehsender sehen. Und natürlich gegen die Rundfunkgebühren geklagt und
verloren haben.
Bin dann irritiert und frustriert früh zu Bette. Hab´ noch
ein wenig Privat-TV geschaut (Comedy Central) und bin um zwei Uhr mit starken
Bauchschmerzen wieder aufgewacht. Waren die Shrimps vielleicht schlecht? Würde
ich den morgigen Tag überstehen? Die Stadtrundfahrt sollte schon um zehn Uhr
starten...
Zusammen mit einem jungen polnischen Ehepaar samt
dreijähriger Tochter wartete ich am nächsten Morgen auf den Zubringerbus, der
pünktlich um zehn vor der Tür stand. Die beiden Polen sprachen auch perfekt
deutsch, so dass ich mich ein bisschen unterhalten konnte. Irgendwann wurden
wir dann in einen großen Bus umgeladen. Unser Reiseleiter kam aus Kairo, wohnte
aber schon 15 Jahre in Hurghada, wie er mehrmals versicherte. Sein Thema war
weniger die Geschichte Ägyptens oder wenigstens Hurghadas, sondern sein Lamento
über das Ungleichgewicht zwischen arm und reich. Bzw. seine Beschwerden, dass
es bei ihm zum reich werden noch nicht gekommen ist. Wir fuhren zunächst an der
Rückseite der neuen MARINA vorbei, von der ich ja schon geschrieben hatte. Hier
war die ursprüngliche Mitte der Stadt – und durch den Bau der Marina sind die
Grundstücke und Häuser in der Nähe extrem teuer geworden. Viele arme Schlucker
waren durch den Verkauf ihrer Trümmerhaufen plötzlich Millionäre geworden(beim
Umrechnen bitte den Kurs beachten!). Das gefiel ihm gar nicht. Familien sollten
ihre Häuser nicht verkaufen dürfen. Sie sollten von Generation zu Generation
vererbt werden.
Der Bus hielt an der Marina und wir wanderten ein
paarhundert Meter zum größten Glasbottomboot der Welt. Genauer gesagt war es
gar kein Glasbottomboot, sondern ein weiteres gefaktes U-Boot. Im Rumpf des
Schiffes waren große Luken angebracht, durch die man ins Wasser schauen konnte.
Auch hier waren zunächst keine fischigen Darsteller zu sehen. Erst als von Deck
aus das obligatorische Weißbrot in die Fluten geworfen wurde, sausten die
Silberfische vom Vortag wieder an und fraßen sich den Wanst rund. Heute waren
es deutlich mehr als am Tag zuvor – und es gab auch vereinzelt Exemplare
anderer Fischsorten. Was mich aber am meisten schockiert hat: Die Fische
pinkeln ins Meer! Ja ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen! Ein etwa
30cm großer, bunter Fisch stieß plötzlich eine wahre Fontäne nach hinten aus,
die nicht der Fortbewegung diente. Und schon habe ich einen weiteren Grund,
nicht mehr ins Meer zu gehen...
Interessant war auch, dass diese ganzen kleinen Schwärme auf
irgendein Kommando zu hören scheinen, dass bisher noch keiner entschlüsselt
hat. Ohne sichtbaren Grund wechselt so ein Schwarm innerhalb von Millisekunden
geschlossen die Richtung. Wer gibt den Befehl? Können Fische sprechen? Wer ist
der Chef? Rätsel über Rätsel, die ich auch nach 30 Minuten noch nicht lösen
konnte. Deshalb bin ich lieber wieder an Deck geklettert, um meine Birne in die
Sonne zu halten.
Eineinhalb Stunden später saßen wir wieder im Bus, um genau
200 Meter zur Moschee gefahren zu werden. Als unser Reiseleiter dort jedoch
verkündete, dass Männer in jedem Aufzug willkommen seien und sogar die Schuhe
anbehalten dürften, Frauen sich hingegen mit einem speziellen Umhang und hinter
einem Schleier zu verstecken hätten, habe ich den Besuch der Moschee
verweigert. Eine Religion, die so dämliche Ansichten über Frauen in Ordnung
findet, verdient nicht, dass ich mir ihre Veranstaltungsräume anschaue. Ich
ging also ein bisschen durch die ursprüngliche Altstadt des Ortes, die wohl in
alten Zeiten aus gerade mal 3000 Einwohnern bestanden haben soll. Leider auch hier wieder Verfall, wohin man
nur sah. Der Dreck auf den Straßen, der Müll, der ganze Schutt – es ist mir ein
Rätsel, wie sich ein Mensch hier freiwillig aufhalten kann. Also zurück zur
Moschee. Da es ziemlich lange gedauert hatte, bis unsere rund 15 Damen
blickdicht verpackt waren, kam die Truppe auch entsprechend später aus der
Moschee zurück. Während meiner Wartezeit wurde ich mehrmals von Taxifahrern
aufgefordert, in die Moschee zu gehen statt hier rumzusitzen. Ich blieb
natürlich standhaft.
Weiter ging es nun zur nächsten Kirche. Der Ausgewogenheit
wegen eine christlich-orthodoxe Kirche. Also eines dieser Gotteshäuser, die in
Ägypten seit 2-3- Jahren gerne in Brand
gesteckt oder mitsamt Attentäter in die Luft gesprengt werden. Damit das nicht
mehr so häufig vorkommt, hatte das Militär einen Panzer und ein paar
schwerstbewaffnete Soldaten vor der Kirche postiert. Auch hier zog ich den Nichtbesuch
vor, obwohl sich hier niemand verschleiern musste. Beide Glaubensformen zeigten
im direkten Vergleich, welches Unglück diese blöden Religionen auf der Welt
verursachen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Besucher aus der Zukunft, der
über soviel Dummheit nur noch den Kopf schütteln kann. So abwegig ist der
Vergleich gar nicht, wenn man sich z.B. das Frauenbild in Ägypten mal etwas
genauer betrachtet.
Nun waren schon viereinhalb Stunden vergangen und ich bekam
langsam Hunger. Aber erst mussten wir uns noch durch die Basare der Altstadt
schleppen. Ich hatte das Vergnügen ja bereits vor ein paar Tagen und wusste,
was uns da erwartete. Und genau so war es auch wieder. Dämliche Anmachsprüche,
Beleidigungen bei Nichtinteresse, völlig überteuerter und verdreckter
Plastikscheiß. Ein junges Pärchen aus Stuttgart erzählte mir, dass sie auch
schon alleine in diesem Viertel waren und allen Ernstes sogar harte Drogen
angeboten bekommen haben. Nach 45 Minuten wollten wir weiterfahren, aber
ausgerechnet der einzige Araber unserer Truppe tauchte nicht mehr auf. Er und
sein kleiner Sohn hatten sich anscheinend verlaufen. Unser Tourleiter nutzte
die Gelegenheit, uns Touristen sogenannte Kartouchen anzupreisen. Das sind so
kleine rechteckige Silberplättchen, in die der eigene Name aus arabischen
Schriftzeichen geprägt wird. Auf der Rückseite kann man noch sein
Sternkreiszeichen oder einen Skarabäus eingravieren lassen. Das alles pauschal
für nur 10.- Euro in Silber oder 15.- Euro bei goldener Schrift. Egal wie lange
der Name ist. Nachprüfen kann man die Schreibweise, weil man eine entsprechende
Buchstabierungstabelle ausgehändigt bekommt. Etwa zehn Touristen wollten so ein
Ding haben, dass noch am selben Tag ausgehändigt werden sollte. Irgendwann
hatte der Busfahrer unseren verschollenen Araber wiedergefunden und es ging mit
15 Minuten Verspätung weiter.
Moschee aus Prinzip nur von außen |
Auf dem Weg zum weit entlegenen Ort des Mittagessens
erzählte uns der Tourleiter, wie nett doch der Herr Mubarak gewesen sei.
Immerhin habe er Autobahnen (!) und 16 Trabantenvorstädte gebaut, deren
Tausende Wohnungen damals nur 10.000 Euro pro Stück gekostet hätten. Leider
habe er sich damals nicht getraut, da mitzumachen, so dass er jetzt wieder
keine Chance habe, durch den Verkauf der nun nicht mehr mitten in der Wüste liegenden
Wohnung zum Millionär geworden zu sein. Er hatte die Chance und das Geld,
beschwert sich aber jetzt, dass Andere die Weitsicht hatten, sich da
einzukaufen. Mir kamen die Tränen.
Um 16.00 Uhr gab es dann endlich Mittagessen – irgendwo ganz
weit draußen in der Nähe des Flughafens. Das Essen war zwar wie üblich
ungewürzt, aber deutlich besser als im Hotel. Leider auch nur lauwarm. Das
Cafe/Restaurant war Teil eines riesigen Einkaufszentrums, in dem wohl keine
angesagte Marke gefehlt haben dürfte. Die Besichtigung dieses Super-Mall
gehörte leider nicht zur Tour – ich konnte nur einmal schnell durchlaufen, dann
fuhren wir weiter.
Als nächstes kam die einzige Besonderheit dieses Ausflugs:
Der Besuch eines Sandmuseums. Der geneigte Leser wird mit Recht fragen: „Was
ist das denn?“ Hier wurden in Handarbeit wunderbare Skulpturen aus Sand
hergestellt, die offenbar dem ganzen Wind und auch so manchem Regentropfen
trotzten (in Hurghada hat es in den letzten 15 Jahren angeblich nur sechsmal
ergiebig geregnet!). Das Gelände ist in zwei Bereiche unterteilt. In dem einen
sieht man die ganzen „klassischen“ Skulpturen wie z.B. die Sphinx oder
Cleopatra und in dem anderen die moderne Popkultur von Donald Duck bis Johnny
Depp als Captain Sparrow. Die Charaktere sind allerfeinst in zwei unterschiedlichen
Sandfarben modelliert und waren für mich die größte Überraschung des noch jungen
Jahres. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Drei Mitarbeiter kletterten auf manchen der Skulpturen rum und besserten
die Stellen aus, die das Wetter zerstört hatte. Eine nicht enden wollende
Arbeit, die sich aber lohnte.
Das wäre ein glänzender Abschluss dieser Tour gewesen, aber
wir sollten noch lange nicht am Ende sein. Schon vor dem Besuch des Basars
warnte uns der Reiseführer, dort beispielsweise keine Gewürze zu kaufen, da sie
infolge der Drecks und der Abgase schlechthin ungenießbar wären. Lieber sollten
wir warten, bis wir solche feinen Dinge später im „Kaufhaus“ kaufen könnten.
Dort wäre es in der Regel auch nicht teurer als auf dem Basar – und die Preise
wären dort fix, so dass man sich das ungewohnte Handeln ersparen könne. Also
auf ins Kaufhaus! Ich hatte bereits am Vortag in einem dieser Riesenkaufhäuser
zwei Kaffeepötte erstanden – das Stück für 25 Pfund, also etwa 2,75 Euro. Das
heißt, ich hatte einen Vergleichspreis. Natürlich war „unser“ Kaufhaus nichts
anderes als eine weitere Touristenfalle, die von allen Bussen tagaus, tagein
angefahren wurde. Es gab dieselben Dinge wie in dem wirklichen Kaufhaus, in dem
ich am Tag davor war, aber die Preise lagen doch arg daneben. Die absolut
identischen Kaffeepötte kosteten hier 52 Pfund pro Stück, also rund 5,75 Euro!
Und da gab es auch keinen Verhandlungsspielraum. Wütend ging ich zurück in den
Bus und wartete auf die Beendigung der Kaffeefahrt. Diesmal war unser
Reiseleiter selbst zu spät wieder an Bord. Statt die Quälerei endlich zu einem
Ende zu bringen, sollten wir als nächstes noch eine Papyrus-Demonstration
anschauen. Da ich auch diese Vorführung schon etliche Male ansehen musste und
völlig klar war, dass es auch hier nur darum ging, dem doofen Touristen weitere
Euros aus der Nase zu ziehen, habe ich die Tour von meiner Seite aus
abgebrochen. Es war inzwischen halb sieben – vor 20.00 Uhr wäre ich mit
Sicherheit nicht nach Hause gekommen. Das junge polnische Ehepaar sagte mir später,
dass es sogar halb neun wurde, weil der Anschlussbus nicht erschienen war...
Die Sphinx (hinten) ist aus Sand! |
Ich sollte dann noch ein Bewertungsformular ausfüllen. Das habe ich verweigert,
weil das ohnehin nur sehr schlecht ausgefallen wäre. Der Tourleiter gab genervt
auf und sagte dem herbeigerufenen Taxifahrer, wo er mich hinbringen sollte. 20
Pfund sollte die Fahrt kosten. Tatsächlich war es die längste Taxifahrt
überhaupt, die ich in dieser Stadt erlebt habe. Daher habe ich ihm 50.- Pfund
gegeben (Kleineres Geld hatte ich sowieso nicht...).
Zum Abendessen setzte sich Sabine wieder zu mir an den Tisch
und erzählte mir Einiges von dem, was ich in den vorherigen Seiten schon
verbraten hatte. Sie war in der Nacht davor (genau wie mein Lehrerehepaar) in
der Disco versackt und noch nicht wieder ganz auf dem Damm. Ständige Anrufe
ihrer Freunde führten aber dann doch dazu, dass sie sich wieder ins Nachtleben
stürzte. Ich sah mir mal wieder die „Große Tanzshow“ auf der Showbühne des
Nachbarhotels an, konnte aber nichts auch nur im geringsten Herausragendes
entdecken – und das, obwohl doch heute Russische Weihnachten war! Dies konnte
man eher am Zustand der Toiletten erkennen und an der Weigerung eines
Barkeepers, gewissen Gestalten weitere Longdrinks auszuschenken. Ein letzter
Blick in die Lobby-Bar zeigte mir, dass ich hier auch nichts mehr zu suchen
hatte. Die Alternative war viel verlockender: Heia. Es wurde trotzdem noch zwei
Uhr, bis ich endlich ins Bett kam. Irgendwann musste ja dieser Blog weiter
geschrieben werden...
Und dann kam auch schon der letzte Urlaubstag (wenn man den
Tag der Rückreise nicht mitrechnet). Ein Tag, an dem nicht mehr viel passierte.
Das Wetter hatte nach zwei freundlichen Tagen wieder auf Winterbetrieb
umgestellt. Es blies ein eiskalter Wind, der den Sand aus der Wüste auf alle
Oberflächen pustete. Dennoch saßen viele Urlauber dick verpackt vor der Lobby,
weil es zum Einen drinnen keine Plätze mehr gab und es sich außerdem um Raucher
handelte, die ihrem Laster frönen mussten. Beim Mittagessen fragte mich der
Chefkellner, ob ich ihm ein paar Euro in Ägyptische Pfunde wechseln könne. Ich
konnte, war sogar froh, die ganzen Scheine loszuwerden, da ich keine
Möglichkeit sah, das Geld hier in Hurghada noch irgendwie sinnvoll auszugeben.
So wechselte am Abend ein Sack deutscher Euromünzen im Tausch gegen
50-Pfund-Scheine die Besitzer. Ich hatte den Jungs einen deutlich besseren Kurs
gegeben als sie in der Bank bekommen hätten. So kann man auch mit kleinen
Dingen andern Menschen Freude bringen. Ich hatte jetzt immer noch 600 Pfund in
der Tasche, die ich irgendwie bis zum Abflug verbraten musste. Ich entschied
mich für großzügige Trinkgelder, denn das gesamte Personal des Hotels war
überaus freundlich, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit mit einem Lächeln im
Gesicht. Nach ein paar Tagen wussten die Kellner, was ich trinke und stellten
Wein oder Kaffee unaufgefordert auf meinen Platz, während ich noch das Essen
zusammenstellte. Leere Weingläser wurden bis auf Widerruf automatisch gefüllt,
was angesichts der Vorverdünnung des Weins kein wirkliches Problem darstellte.
Während des gesamten Urlaubs musste ich zwar auf Hunderte
von E-Mails antworten, war aber sonst von größeren SOS-Sprechaufträgen
verschont. 5 kurze Beiträge für den MDR habe ich vertont und über das Internet
nach Dresden geschickt. Das Uploaden dauerte manchmal mehr als eine Stunde –
und das, obwohl ich extra nur mp3-Dateien produziert hatte. Dafür wird der Tag
nach meiner Rückkehr ein harter Arbeitstag werden, denn aufgeschoben war ja
nicht aufgehoben.
Nach dem Abendessen traf ich mich nochmal mit dem Marburger
Lehrerpaar, die tagsüber durch halb Hurghada gelaufen sind, ohne aber die
wirklich tollen Stellen entdeckt zu haben. Zusammen haben wir uns noch einmal
die „große „Überraschungsshow“ im Haupthotel angeschaut, die völlig identisch mit
der gestrigen Show war: 5 Hansels tanzten 5 Lieder, danach eine halbe Stunde
Disco mit einer seltsamen Mischung: HELENE FISCHER und WOLFGANG PETRY in einer Russendisco in Afrika. Immerhin hatten wir einen Kellner, der die
Getränke schneller brachte als wir sie trinken konnten. Und dazu führten wir
weltbewegende Gespräche über Religion im Allgemeinen und den Islam im
Besonderen. Ganz so, wie Blinde von der Farbe reden. Um elf war der Abend für
uns zu Ende.
Fazit: Das nächste Mal lieber ein paar Euro mehr ausgeben, dafür aber ein besseres Hotel auswählen. Hurghada selbst hat nicht wirklich viel zu bieten, aber bei besserem Wetter, bzw. weniger Wind ist selbst Anfang Januar, also im tiefsten Winter Ägyptens, ein Kurzurlaub möglich. Wer weiß, wie lange man dort noch hinfliegen kann.
12. Januar 2015